Wie dein Darm deine Emotionen steuert

„Hör auf dein Bauchgefühl“. Diesen Satz haben wir wahrscheinlich alle schon einmal gehört – und er macht Sinn. Wenn wir verliebt sind, dann haben wir Schmetterlinge im Bauch. Wenn wir Angst haben, dann verkrampft sich der Bauch. Gefühle spiegeln sich direkt in unserem Darm wieder. Der Darm fühlt mit, er denkt mit, er ist unser zweites Gehirn.

Das Mikrobiom

Der Darm besteht hauptsächlich aus Bakterien. Tatsächlich existieren in unserem Darm mehr Bakterien als körpereigene Zellen! Die Zusammensetzung dieser Darmbakterien wird als das Mikrobiom bezeichnet und ist von Mensch zu Mensch verschieden. Der Ansatz, dass die Art der Darmbakterien unsere Gesundheit beeinflusst ist schon lange keine Neuheit mehr. Die meisten Menschen, die sich für Gesundheit interessieren, wissen, dass unsere Darmbakterien die Verdauung, Allergien und den Stoffwechsel beeinflussen. Der Trend gesund zu essen, um die Darmflora zu optimieren, ist in aller Munde. Man sieht es auch in der Werbung. Da werden Lebensmittel angepriesen, die „probiotisch“ wirken. Aber was bedeutet überhaupt probiotisch? Probiotische Lebensmittel enthalten eben Mikroorganismen, also Bakterien, die gut für den Darm sind. Der Darm spielt eine entscheidende Rolle für unser Immunsystem. Wusstest du, dass sich siebzig bis achtzig Prozent des Immungewebes im Darm befinden? Der Darm ist oft die Stelle in unserem Körper, die als erstes mit krankheitserregenden Viren und Bakterien in Kontakt kommt. Der Verdauungstrakt arbeitet ununterbrochen auf sehr komplexe Weise an der Bekämpfung und Ausscheidung von Krankheitserregern und Giftstoffen. Ein gesunder Darm ist also eine wesentliche Vorraussetzung für unser allgemeines Wohlbefinden.

In der Wissenschaft wird derzeit an diesem brandaktuellen Thema geforscht, das den Darm betrifft. Das Mikrobiom scheint nämlich einen weitaus größeren Einfluss auf uns zu haben als bisher angenommen und nicht nur eine wichtige Rolle in unserer Verdauung und dem Immunsystem zu spielen. Eine wachsende Anzahl an Wissenschaftlern untersucht aktuell, wie dieses Ecosystem an Bakterien im Darm unsere Gedanken und Gefühle reguliert und somit direkt unser Gehirn beeinflusst.

Das Enterische Nervensystem

Das Enterische Nervensystem (ENS) ist ein komplexes System an Nervenzellen, das beinahe den gesamten Magen-Darm-Trakt durchzieht.  Das ENS im Darm wird oft auch als unser zweites Gehirn bezeichnet und entsteht bei der embryonalen Entwicklung tatsächlich aus dem gleichen Gewebe wie unser Zentrales Nervensystem. Es besitzt daher viele strukturelle und chemische Parallelen zu unserem Gehirn. Unser ENS trifft zwar keine Entscheidungen, wie die graue Maße in unserem Kopf, dennoch kommunizieren beide „Gehirne“  auf wundersame Weise entlang von Nervenbahnen über Hormone, Neurotransmitter und elektrische Impulse miteinander. Obwohl die Wissenschaft natürlich sehr kompliziert ist, wird klar, dass unser Gehirn und der Darm auf intimste Weise verknüpft sind. So scheint es fast, dass es sich nicht um zwei Systeme, sondern um eines handelt.

Emotionen und der Darm

Unsere Emotionen wirken sich sehr stark auf unseren Darm aus. Wie schon angesprochen fühlt und denkt er mit. Es gibt eine ganze Reihe an chronischen, funktionellen Verdauungsproblemen, die für die Medizin nicht zu erklären sind. Oft wird der Betroffene als gesund erklärt und nach Hause geschickt. Man bilde sich die Probleme nur ein, heißt es dann. Aufgrund des neuen Verständnisses der Verbindung von Gehirn und Darm liegt hier jedoch eins ganz anderes Problem vor. Psychologische Faktoren verändern die Physiologie des Darms. Anders ausgedrückt, der Kopf beeinflusst physiologische Faktoren wie zum Beispiel die Darmbewegung. Dadurch entstehen Entzündungen, Schmerzen, und andere Verdauungsprobleme. Studien haben hier gezeigt, dass die Symptome durch eine psychologische Herangehensweise gemindert werden können. In einer Studie an der Universität Havard wurde gezeigt, dass ein Neun-Wochen Meditationsprogramm einen signifikant positiven Effekt auf das Reizdarmsyndrom und chronisch entzündliche Darmerkrankungen hat.

Doch wie sieht es im Umkehrschluss aus? Kann der Darm unser Gehirn und somit unsere Gefühlslage beeinflussen und zum Beispiel Depressionen auslösen? Wissenschaftlich ist sehr schwierig zu beweisen, ob ein bestimmtes Mikrobiom der Grund oder das Resultat bestimmter psychologischer Krankheiten ist. Jedoch weisen Studien darauf hin, dass das Mikrobiom tatsächlich die Ursache sein kann. In einer Studie aus dem Jahr 2011 wurde das Mikorbiom zwischen Mäusen aus verschiedenen Züchtungsgruppen transplantiert. Es zeigte sich, dass dabei bestimmte Verhaltensmuster ebenfalls übertragen wurden. So wurden schüchterne Mäuse erkundungsfreudiger. Aktuellere Studien zeigen, dass die Darmbakterien die Nerotransmitterlevel direkt beeinflussen. Bestimmte Mikroben fördern zum Beispiel die Serotoninproduktion im Dickdarm. Das ist außerordentlich interessant, da einige Antidepressiva ebenfalls die Serotoninproduktion anregen (SSRI – SerotoninReuptakeInhibitors). Ein gesunder Darm steht also mit einer gesunden Psyche in sehr enger Verbindung. Ist der Darm gesund und das Mikrobiom im Gleichgewicht, dann geht es uns nicht nur körperlich, sondern auch psychisch gut. Wie gesagt, wird auf dieser Ebene zur Zeit sehr viel geforscht - auf weitere Ergebnisse dürfen wir gespannt sein. Fest steht, dass der Darm und sein Mikrobiom eine außergewöhnlich Wichtige Rolle in unserem Organismus einnehmen und wir deshalb besonderen Wert auf eine gesunde Ernährung legen sollten – nicht nur für die Verdauung sondern auch für unserer Gehirn!

 

Quellen

http://news.harvard.edu/gazette/story/2015/05/meditation-may-relieve-ibs-and-ibd/

Bercik, P. et al. (2011) The intestinal microbiota affect central levels of brain-derived neurotropic factor and behavior in mice.

Yano, J. M. et al. (2015) Indigenous bacteria from the gut microbiota regulate host serotonin biosynthesis.

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